Meine 5 Minuten gehen diese Woche an... das ESC-Debakel!

...oder: Das Experiment.

Am Wochenende hat uns meine Mutter besucht und weil wir früher oft zusammen den Eurovision Song Contest geschaut haben, stand Samstagabend genau das auf dem Programm. Damit das ganze nicht allzu langweilig wird, haben wir jedem Auftritt Punkte gegeben - und daraus hat sich ein ganz nettes Experiment entwickelt. Lest nach:

Der Aufbau:
Man nehme 26 Probanden verschiedener Länder, drei Prüfer unterschiedlicher Altersstufen (23, 32, 56) und fünf Stunden Zeit. Die Prüfer bekommen einen Stift und einen Zettel.

Der Ablauf: Die Prüfer sollen jeden Probanden mit einer Punktzahl von 1 (schlecht) bis 10 (gut) bewerten. Ziel ist, einen Gemeinschaftsfavoriten herauszufinden sowie einen Favoriten für jeden einzelnen Prüfer. Anschließend werden die Favoriten ausgewertet und mit den Gesamtergebnissen des ESC ausgewertet.

Das Ergebnis: 
Die Teilnehmer: Insgesamt überaus langweilig. Kaum einer ist aus der Masse hervorgestochen. Es gab einheitliche Powerballaden, Popsongs und Bühnenshow. Aufgefallen sind uns lediglich sechs der 26 Kandidaten: Einmal waren da die Niederlande mit ihrem dreistimmigen Familiensong, Moldawien mit ihrem Sax-Lied, Italien mit dem Affentanz, Portugal mit ihrer Jazzballade, Rumänien mit ihrer Jodelei und die Ukraine mit ihrer (an diesem Abend ungewöhnlichen) Rocknummer. Der Rest? Irrelevant. Was aber immer wieder auffiel: Viele Songs ähnelten anderen bekannten Liedern. Eins (Künstler schon vergessen) klang stark nach "Humans" von Rag'n'Bones, das Gewinnerlied erinnerte an "Moon River" von Andy Williams aus den 1970er Jahren.

Unsere Favoriten: Die meisten Punkte (20) holte sich von uns Moldawien, weil ihr Song einfach ins Ohr ging und wirklich charttauglich war. Zu den Einzelfavoriten: Meiner Mutter gefielen mit acht Punkten die Niederlande am besten, weil der Song schön emotional war. Meinem Freund gefiel mit sieben Punkten Italien und die Ukraine, jeweils aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit und mir gefiel mit neun Punkten Moldawien am besten.

Der Gewinner: Für uns eine absolute Überraschung, weil er so gar nicht ins Schema passte. Er wirkte bekifft, fühlte sich offensichtlich unwohl auf dem Contest. Das Lied war sehr leise, fast unscheinbar und erinnerte an "Moon River", wie gesagt. Was natürlich ein Grund für den Sieg sein könnte - unterbewusste Beeinflussung... Wer weiß?

Levina: Völlig unscheinbar. Sowohl der Auftritt, das Kleid, der Song. Ein bisschen wie Helene Fischer auf Englisch. Auf jeden Fall nichts, was im Ohr bleibt (oder im Ohr bleiben soll).

Die Analyse: 
Der Gewinner: Wer weiß schon, warum das Publikum und die Jury Salvador Sobral gewählt hat. Vielleicht aus Protest: "Hey, ihr da, macht mal anständige Musik und nicht immer nur dasselbe, sonst wählen wir jedes Jahr so einen Jazz-Typ!" Vielleicht war es tatsächlich das Besondere, das die Zuschauer wollten. Und besonders war Sobral mit seinem Lied auf jeden Fall! Vielleicht wollten sie den authentischsten Teilnehmer zum Sieger küren und auch das war Sobral definitiv. Möglicherweise, und an die Theorie glaube ich ja ganz sicher, wählt das Publikum auch einfach immer den absurdesten Kandidaten. Der, den niemand wirklich erwartet. Wer weiß das schon. Richtig verstehen kann ich es auf jeden Fall nicht. Das mag aber auch damit zusammen hängen, dass beim ESC mit anderen Maßstäben gemessen wird. Mir kommt es immer so vor, als sei dieser Contest ein Paralleluniversum zu den weltweiten Charts. Als würden die Songs gerade mal so hingeklatscht, dass sie zum ESC passen, aber in den jeweiligen Ländercharts keine Chance haben. Beispiel gefällig? Das belgische Lied (Blanche: City Lights) war okay, aber nicht herausragend. Da fehlte etwas. Und so ging es mir bei vielen Songs. Gerade weil eben zahlreiche Lieder klingen, als hätte es sie schon einmal gegeben, fehlt mir da die Qualität. Mein Eindruck kann aber daher kommen, dass Levina vorher völlig unbekannt war. Wer weiß, wie das bei den anderen Künstlern in deren jeweiligen Ländern ist?

Levina: Wenn meine Theorie an dieser Auswahl stimmt, gehören die Verantwortlichen definitiv ersetzt, nur so viel vorweg. Ich glaube nämlich, das deutsche ESC-Team geht nach dem Motto: "Never change a working system". Heißt: Lena ist als Frau alleine auf der Bühne aufgetreten und hat gewonnen. Wieso sollte es diesmal anders sein? Klingt absurd, aber ich habe Argumente. Wen schickte Deutschland denn im Jahr eins nach Lena zum ESC? Richtig: Lena. Gab Platz elf, nicht erfolgreich genug. Also musste wieder (!) eine Castingshow her, bei der wir einen unbekannten Sänger suchen, der uns weltweit (!) vertritt. Roman Lob. Platz acht. Wieder nicht erfolgreich genug. Also: Nahmen wir wieder eine Frau, nur diesmal machte sie elektronische Musik. Cascada machte einen krassen Fall nach unten im Vergleich zu den vorherigen Teilnehmern - Platz 21. Also Abwechslung: Elaiza, eine Frauengruppe mit Folkmukke. Meiner Meinung nach die beste Idee, die sie je hatten, denn dieses Spezielle sucht der ESC ja. Das Ergebnis: Immerhin Platz 18. Weil das aber wieder nur semierfolgreich war, musste wieder das Ursprungskonzept her: Frau, alleine. Also 2015 Ann-Sophie. Zum ersten Mal null Punkte. Die Schlussfolgerung? Nochmal eine Frau, diesmal flippiger, Song aber ähnlich lahm. Jamie-Lee, das Mangamädchen. Wieder letzter Platz. Also? Nochmal eine Frau. Diesmal wieder lenaiger. Natürlich, lieb, nett, begabt. Aber: Platz 25, umgekehrt Platz zwei von hinten. Wie lange braucht das deutsche Team noch, um zu verstehen, dass unser System keine workendes ist?

Fazit:
Der ESC ist veraltet. Zwar wird die Musik immerhin moderner, aber das System hinkt hinten wie vorne. Die Quote sinkt von Jahr zu Jahr (auch wenn sie weltweit noch enorm hoch ist). Das könnte daran liegen, dass Deutschland jährlich einfach so teilnimmt. Ohne Vorentscheid. Wieso alsdo nicht die Regel wieder ändern?  Wieso zahlt nicht jedes Land einfach einen kleinen Bruchteil (ja, das wäre möglich) und jedes Land kann rausfliegen? Das erhöht den Druck und macht das ganze ernst zu nehmender. Und würde somit auch wieder für mehr Interesse sorgen. Woran es bei der Glaubwürdigkeit aber auch hapert: Es heißt Eurovision, also europäisch. Was hat Australien dort verloren? Bzw. wenn schon Australien teilnehmen darf, wieso nicht auch andere Länder weltweit und wir nennen es zukünftig World Vision Songcontest?
Konkret zu Deutschland: Wenn wir schon teilnehmen, dann bitte richtig. Das System sollten doch jetzt alle verstanden haben: Authentizität kommt gut an und  etwas Außergewöhnliches kommt gut an. Warum nicht mal wieder jemanden schicken wie Guildo Horn. La Brass Banda wäre cool, die bieten beides. Oder wirklich mal Helene Fischer. Wenn's gut läuft, begeistert sie ganz Europa, wenn es schlecht läuft, sind wir sie als erfolgreiche Musikerin los (fänd ich ja auch nicht schlecht). Möglichkeiten gäbe es genug. Aber bitte in Zukunft jemand, hinter dem das Land steht - nicht irgendjemand namens Ann-Sophie oder Levina.

Zum Abschluss noch einmal unser Favorit, Platz 3: Das Sunstroke Projekt mit "Hey Mamma". Damit ihr seht: Es gibt Hoffnung...

https://www.youtube.com/watch?v=mvaLAs9cex4

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