Meine 5 Minuten gehen diese Woche an... Smartphones!

Oder: Warum Entzug manchmal ganz gut tut


Erwin Lorenzen  / pixelio.de
Eigentlich habe ich immer behauptet, ich sei nicht smartphonesüchtig. Ich war mir sogar sicher, denn ich bin niemand, der alle fünf Minuten drauf schaut, um zu sehen, was es Neues gibt. Stattdessen habe ich es immer bei mir, gehe ran, wenn jemand anruft, schaue nach, wenn mir jemand schreibt oder checke gelegentlich die Nachrichten. Habe ich mehr Zeit, spiele ich auch mal was. Aber im Großen und Ganzen ist das harmlos. Aber wenn wir ehrlich sind, ist das Quatsch. Jeder, der ein Smartphone besitzt, ist gewissermaßen abhängig. Alleine schon durch die ständige Erreichbarkeit. Auch wenn ich es nicht allzu oft nutze, freue ich mich, jemanden anrufen zu können, falls es nötig wird oder die Nachrichten checken zu können. Und eine regelrechte Automatismushandlung ist, das Handy vor der Arbeit in die Hosentasche zu stecken, damit es dabei ist.

Aber dann kam Tag X - gestern. Der erste Tag, seit ich ein Handy besitze, an dem ich es gnadenlos zu Hause vergaß. Das ist mir noch nie passiert! Die Erklärung liegt sogar nahe: Ich hatte nach langer Zeit mal wieder ein Kleid an. Das keine Taschen hat. Wohin also damit? Normalerweise werfe ich es in meine Handtasche, aber gestern blieb es liegen.

Was folgte war ein Tag, den ich euch nicht vorenthalten will:

8:45 Uhr: Ich bin spät dran, komme aus dem Bad, schlüpfe in meine Stiefel, greife mir hektisch meine Handtasche und mache mich auf den Weg zum Auto.

8:50 Uhr: Ich komme zum Auto, setze mich rein und suche eine gute CD raus, bevor ich losfahre.

9:30 Uhr: Ich suche einen Parkplatz, finde einen, ärgere mich, dass ich so spät bin und laufe zur Redaktion.

9:40 Uhr: Ich stehe vor der Redaktion, an der Eingangstür und mich trifft der Schlag: Mein Handy liegt Zuhause. Das glaube ich zumindest. Der Schock spüre ich bis ins Mark. Ich gehe rein und bin völlig ungläubig. Wie konnte mir das passieren?

9:50 Uhr: Bin noch immer ungläubig. Ich öffne meine Handtasche und suche sie ab. Tatsächlich, es ist nicht dabei. In meinem Kopf spielt sich folgendes Szenario ab: Handy liegt einsam im Bett und wartet auf Gesellschaft. Zwischendrin vibriert es, aber niemand sieht nach, wer anruft oder schreibt.
Schock Nummer zwei: Was ist, wenn jemand WICHTIGES anruft?! Und ich nicht dran gehen kann? Pulsschlag erhöht sich. Habe Mitgefühl mit meinem einsamen Handy und frage mich, wie ich diesen Tag ohne überstehen soll. Ich versuche mich zu beruhigen, indem ich mir sage, dass ich es sonst auch nicht so häufig nutze. Höchstens in der Mittagspause oder wenn sich jemand Wichtiges meldet. Es hilft.

10:30 Uhr: Redaktionskonferenz ist vorbei. Ich habe viel zu tun, gehe zu meinem Schreibtisch und leg los. Das Smartphone gerät in Vergessenheit.

11:45 Uhr: Ich will einen Blick auf mein Handy werfe, ob es etwas Neues gibt. ABER ES IST NICHT DA! Wieder kurze Panikattacke. Endlich verstehe ich es, warum sich Menschen ohne Handy nackt fühlen. Mir kommt der Gedanke, was mein Freund denkt, wenn ich ihm den ganzen Tag nicht antworte. Es beunruhigt mich. Ich erzähle meinem Kollegen von meinem Missgeschick und er lacht mich aus. Ich komme mir armselig vor.

12:35 Uhr: Mittagspause. Ich lese eine Zeitschrift und esse Obst. Trotz der leeren Zeit vermisse ich das Smartphone gerade nicht. Bin ja beschäftigt.

13:00 Uhr: Wieder genug zu tun. Alles wird gut. Der halbe Tag ohne Handy ist überstanden. Puh.

14:30 Uhr: Bin erleichtert, wie gut ich das wegstecke. Denke an die Heimfahrt und das Wochenende, das auf mich wartet. Auf einmal der Gedanke - mein Puls steigt: Sollte ich einen Unfall haben, kann ich keinen Notruf holen! Und wenn winke, denken andere Autofahrer, ich sei ein krimineller Tramper! Gott sei Dank ist heute Morgen nichts passiert! Puh. Puls normalisiert sich wieder. Aber die Heimfahrt heute Abend! Wenn da was ist!! Ich werde einsam im Straßengraben vor mich hinsiechen. Hundertpro. Puls steigt ins Unermessliche! Ich beschließe, heute Abend mit 50 Stundenkilometern über die Straße zu schleichen. Sicher ist sicher.

15:45 Uhr: Noch immer genug zu tun. Fühle mich leicht gestresst, aber das gibt mir Energie! Ablenkung ist super und die Arbeit macht auch noch richtig Spaß! Die gute Laune kehrt zurück.

16:30 Uhr: Wieder denke ich an mein Handy und suche es gedanklich. Ist es wirklich auf dem Bett? Ich hab es doch wohl nicht unterwegs verloren? Bin ich paranoid? Keine Ahnung. Es wird sich schon finden. Der Vibrationsmodus ist an, ich kann es notfalls anklingeln. Ob mein Freund verstanden hat, dass ich es einfach vergessen habe?

17:30 Uhr: Feierabend! Wochenende! Ich mache mich auf den Weg zum Auto und bin tiefenentspannt. Das mit dem 50-km/h-Schleichen hab ich mir noch mal überlegt. Ich fahr ganz normal, was soll schon anders sein als sonst? Hoffe, mein Freund hat sich keine Sorgen gemacht.

18:10 Uhr: Komme nach Hause. Handy lag auf dem Bett. 14 Nachrichten, ein Anruf, 7 Mails. Gute Bilanz. Greife es mir und antworte (peinlicherweise, bevor ich meinen Freund begrüßt habe - könnte ja wichtig sein). Bin stolz, den Tag gut überstanden zu haben. Trotzdem: Das passiert mir hoffentlich nicht mehr!

Fazit: Klar bin ich süchtig. Nicht nach den Funktionen, sondern nach den Optionen. Denn die Möglichkeit, mal eben zu schreiben, und sei es ein Smiley an den Freund, macht doch viel aus. Und wichtige Anrufe können durchaus auch mal gerade dann kommen, wenn das Handy Zuhause liegt. Aber - und das ist wichtig - wir sollten uns da alle mal ein bisschen entspannen. Denn das Handy ergänzt unser Leben und macht es nicht aus!

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