Meine 5 Minuten gehen diese Woche an... Brillen!

...oder: Wie es ist, Anfang 20 auf einmal eine zu brauchen.

Es war völlig surreal, wie in einem falschen Film. Nein, besser: Wie auf einem falschen Planeten. Um mich herum nur fremde Wesen, die Brillen tragen und ich, der bislang nie eine brauchte. Ich stand im Eingangsbereich des Optikers, vor mir drei Kunden, und beobachtete das seltsame Treiben. Menschen, die anderen Menschen gegenüber saßen und Formulare ausfüllten. Tausende Brillen, die von den Wänden aus die Kunden anstarrten. Und übertrieben freundliche Mitarbeiter, die den Wartenden nur so in den Hintern krochen. 

Dummerweise erwischte ich eine Beraterin, die alles andere als das war. Uschi - so hieß sie bestimmt - war Mitte 50, trug ein dickes Horngestell und hatte noch nie etwas von Höflichkeit gehört. "Was wollen Sie?", blaffte sie mich an, obwohl ich ganz normal in der Schlange stand. "Ich brauche eine Brille", sagte ich und musste selbst ein bisschen über meine offensichtliche Antwort schmunzeln. Sie nicht. Uschi bat mich, ihr zu folgen und stellte mich vor einem dieser riesigen Brillenwände ab. "Erste Brille?" "Jup." Damit ließ sie mich stehen und mich plagte die Überforderung. 

20 Jahre lang hatte ich reibungslos funktionierende Augen gehabt. Einen scharfen Blick wie ein Adler. Bis ich urplötzlich auf der Arbeit merkte, dass ich nach langen Sessions vor dem PC Schwierigkeiten hatte, in die Ferne zu blicken. Und auch beim Autofahren waren nicht mehr alle Schilder von Weitem lesbar. Also machte ich mich auf, eine Gelegenheitsbrille zu kaufen, die ich nur dann anziehen wollte, wenn es nötig war. Eigentlich fand ich das ganz cool, denn neue Dinge und kleine Veränderungen begeistern mich (ich war als Teenie zum Beispiel auch voller Vorfreude, als ich meine feste Zahnspange bekam - wie dumm). Aber jetzt im Geschäft brach die Realität über mir ein. 

500 Brillen hingen vor mir und ich hatte keine Ahnung. Okay, es sollte schlicht sein. Soweit. Aber was heißt das? Keine rahmenlose Fassung, das wusste ich sicher. Ich wollte modern und stylisch aussehen, wenn ich schon eine Brille benötigte. Also suchte ich mir drei Modelle aus, die irgendwie in dieses Bild passten: Da war einmal eine absolute Traumbrille, petrolfarben, ungewöhnliche Form, 100 Euro... Schön, aber unrealistisch. Dann gab es eine etwas gewöhnlichere, schwarze mit breitem Rand für 70 Euro und eine graue, die irgendwie nach nichts aussah für 20 Euro. Als ich meine persönliche Beraterin ansprach, pflanzte sie mich an einen der Tische mit den drei Stühlen - einer für den Mitarbeiter, zwei für die Kunden - und sagte, sie komme gleich. 

30 Minuten später tat sie das auch. Und fragte mich, wie ich mich entschieden hatte. Eigentlich wollte ich von ihr hören, welche gut sitzt und gut an mir aussieht, aber dazu war Uschi nicht fähig. Also entschied ich mich für die Durchschnittliche: Durchschnittlicher Preis, durchschnittliche Farbe, durchschnittliche Form. Sie stand mir auch, das schon, aber sie saß völlig falsch und abschließend musste ich drei weitere Male zum Optiker - jedes Mal mit einer gewissen Wut im Bauch - weil sie die Brille und die Gläser bearbeiten mussten. 

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Aber gut, das ist inzwischen drei Jahre her. Und inzwischen trage ich keine Gelegenheitsbrille, sondern eine feste. Denn wie sich herausgestellt hat, habe ich den Gendefekt meines Vaters geerbt - er hatte bis zu seinem 20. Lebensjahr auch gute Augen und ist dann in kurzer Zeit auf -4 Dioptrien gerutscht. So schlimm ist es bei mir zwar noch nicht, aber ich bin jetzt auf eine Brille angewiesen. Und es ist ein riesen Unterschied, ob ich sie aufziehen kann oder muss. Ich hab allen, die entweder mit Gläsern vor den Augen groß geworden sind oder die keine tragen müssen, mal die Nachteile und seltsamen Situationen aufgeschrieben:

1. Vergesslichkeit
Wer lange keine Brille gebraucht hat, hat sie auch nicht immer auf dem Schirm. Etliche Male habe ich also auf dem Weg zur Arbeit meine Gläser vergessen. Anfangs noch nur ärgerlich, aber nicht weiter schlimm. Deshalb kam es auch jeden zweiten Tag vor. Inzwischen wäre es eine Katastrophe, schließlich würde ich ohne vermutlich kein einziges Straßenschild auf 100 Meter Entfernung erkennen. Aber hey, man gewöhnt sich dran.

2. Hitze/Kälte
Ist es heiß, schwitzt man, ist es kalt, friert man. So weit, so offensichtlich. Mit Brille habt ihr aber mehr Probleme: Eure Brille beschlägt. Im Winter, wenn es richtig kalt ist, habt ihr jedes Mal einen milchigen Film auf den Gläsern, sobald ihr einen Raum betretet. Im Sommer, wenn ihr schwitzt, läuft sie davon an. Echt nervig, glaubt mir (davon können die Brillenträger ein Lied singen). Und mit angelaufener Brille sieht man immer so dämlich aus...

3. Sonne
Früher, wenn es richtig schön sommerlich war, habe ich zu meiner 10-Euro-Sonnenbrille aus einem Schmuckladen gegriffen und sah sehr schnell sehr günstig sehr cool aus. Mit Sehschwäche geht das nicht mehr, da braucht ihr auch in der Sonnenbrille verstärkte Gläser. Und weil Gläser nun mal richtig teuer sind, habe ich nur noch eine davon, die ich hege und pflege. Damit aber noch nicht genug, schließlich müsst ihr auch jedes Mal, wenn ihr geblendet seid, die Brille wechseln. Beim Autofahren ist das gar nicht so leicht.

4. Putzen
Wie schnell eine solche Brille dreckig wird, hätte ich nie erwartet. Mindestens drei Mal muss ich sie am Tag putzen, sonst habe ich Flecken drauf - und selbst die kleinsten davon nerven enorm. Dabei kommt es aber auf die Technik an. Muss es schnell gehen, reicht das übliche Brillenputztuch im Etui. Morgens hingegen gibt es die Grundwäsche. Nass machen und mit dem Handtusch trocken wischen.

5. Liegen 
Eine Sache, die ich völlig unterschätzt habe, ist liegen mit Brille. Klar, auf dem Rücken ist das kein Problem. Aber sobald ihr euch auf die Seite rollt, merkt ihr das Gestell: Es drückt. Heißt: Gemütlich einkuscheln mit Brille geht nicht mehr. Muss ja auch nicht, es sei denn ihr wollt...

6. Fernsehen
Noch etwas, das mir nicht klar war: Auch beim Fernsehen braucht ihr jetzt eine Brille. Sonst könnt ihr die Figuren im TV nur noch erahnen (was auch manchmal geht, zum Beispiel wenn ihr liegen wollt). Aber liegen und ein scharfes Bild geht nicht - und auch das nervt.

Eine Brille zu bekommen, bringt also in erster Linie einige Veränderungen mit sich. Aber, wie schon gesagt, man gewöhnt sich an alles. Und es hat gar nicht lange gedauert, bis die Brille einfach ein Teil von mir war. 

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