Meine 5 Minuten gehen diese Woche ans... Pendeln!

...oder: Der alltägliche Wahnsinn auf der Straße

Seit 14 Monaten pendle ich. Was erst einmal eine ganz normale Feststellung ist, klingt wie ein Klagelied. Ganz nach dem Motto: "Hey, hab ich schon erzählt, dass ich letztens eine Prüfung versaut habe?" "Nein, aber ich pendle." Und sofort wird derjenige, der das mit dem Pendeln erzählt, mitleidige Blicke bekommen. Denn das Hin- und Herfahren zur Arbeit ist irgendwie ein Fluch, den jeder verstehen kann. Jeder könnte schließlich einmal in diese Situation kommen oder war es sogar schon einmal. Falls ihr nicht wisst, wie sich Pendeln anfühlt: Hier ist mein Bericht.

So in etwa sieht mein täglicher Weg zur Arbeit im Winter aus.
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Montagmorgen, um 8.10 Uhr. Ich verlasse das Haus, meistens zusammen mit meinem Freund - der mir täglich klar macht, was die Ironie des Schicksals ist: Wir gehen 300 Meter zusammen, dann trennen sich unsere Wege. Ich stiefle über eine große Kreuzung zu unserem Parkhaus, er biegt ab. Während ich noch 50 Minuten Fahrt vor mir habe, geht er noch 5 Minuten und sitzt vor seinem Schreibtisch. Nun gut, es sei ihm gegönnt. Ich laufe also rüber zum Auto im Parkhaus, steige ein, lege zuerst die Jacke und die Handtasche ab, fummel mir Kaugummi und Lippenpflege raus (Fahren mit trockenen Lippen nervt mich) und fahre los. Wenn ich aus der Stadt will, kreuzen vier Ampeln meinen Weg. Egal, wie schnell, langsam oder taktisch ich fahre: Zwei sind immer rot, wenn ich dort ankomme. Mindestens. Inzwischen spare ich mir das Lippenritual oft, bis ich an der Ampel bin, da hab ich schließlich Zeit für so etwas. Bis ich also aus der Stadt raus bin, dauert es minimal zehn Minuten. Zehn Minuten, in denen ich jedes Mal pokere und experimentiere, wie ich am besten um die roten Ampeln herum komme. Dazu gehören unorthodoxe Sprints, Spurwechsel, Timing. Ihr glaubt ja gar nicht, wie exzessiv ich feiere, wenn ich es mal schaffe - nur um festzustellen, dass ich keine Ahnung hab und somit keine Regel, wie ich das eigentlich gemacht habe.

Danach fahre ich über eine Bundesstraße, fast zu meiner Arbeit. Den Weg könnt ihr euch so vorstellen: Wald, Wald, Wiese, Hang, Hang, Hang, Dorf, Wiese, Wiese, Wiese, Wald, Wiese, Wald, Wald, Wald, Wald, Wald, Stadt mit gefühlten tausend Ausfahrten, Wald, Feld, weite Blicke ins nichts, Wald, Feld, Wiese, Wald, Abfahrt. Klingt eintönig, ist es auch. Gelegentlich sehe ich eine Kuh (juhu!), aber das kommt dann doch eher selten vor. Obwohl diese Bundesstraße so eintönig ist, hat sie aber auch Vorteile. Sie ist ausgebaut und man darf pi Mal Daumen 100 km/h fahren. Nun habe ich eine Weile abgewogen, ob es nicht besser oder zumindest angenehmer wäre, über Land zu fahren. Bis die B12 einmal gesperrt war und ich über Land fahren musste. Holla, die Waldfee, nie wieder! Ich wurde selten so krass auf den Boden der Tatsachen geholt. Aus ästhetischen Aspekten ist die Landfahrt sicherlich wunderbar, denn man sieht kleine, süße bayerische Dörfer (und ja, hier meint Dorf so richtig klein mit Bauernhöfen und Kühen und Ziegen und so) und viel Natur. ABER: Alle drei Kilometer kommt so ein Dorf. Im besten Fall darf man mit 50 Sachen durchrauschen, im schlechteren mit 30. Also: Von 100 auf 30 auf 100 auf 50. Das geht nicht nur in den Sprit, sondern auch ins Auto und meine Nerven. Mal ganz davon abgesehen ist auch das mit den Tempo 100 unrealistisch, schließlich gibt es im Allgäu Kurven, geschweige denn Hügel - oder Berge? Jedenfalls wäre man lebensmüde, mit 100 eine solche Kurve zu nehmen. Und mit meinem kleinen Knutschkugelauto komme ich Steigungen nicht mal ansatzweise schnell hoch. Da bin ich schon froh, wenn Fußgänger mich nicht überholen. Darüber hinaus gibt es Straßen, die sich gar nicht als solche schimpfen dürften. Sie sind nämlich voller Schlaglöcher oder sogar wie alte Feldwege: Steinig und verdammt schmal (kommt dir da ein Auto entgegen, und sei es ein Smart - bekommst du panische Schweißausbrüche). Und das gilt dort tatsächlich als Straße. Irre. Heißt: Über Land brauchst du unweigerlich deutlich länger, verbrauchst mehr Benzin/Diesel und bist am Ende ein zitterndes Wrack. Ja, Allgäuer kennen diese Straße und fahren ganz normal, also tatsächlich 100 Sachen, während ich mich wieder an Schrittgeschwindigkeit gewöhne.

Ist jedenfalls die Bundesstraße mal gesperrt und man muss über Land tuckern, ist das Pendeln noch anstrengender. Jedes Mal, wenn ich höre, dass sie wieder irgendwas bauen und deshalb irgendwo die Strecke dicht machen müssen, steigen mir die Tränen in die Augen. Scheiß auf die Kühe - egal, wie sehr ich sie mag, dann doch lieber monotone B12.

Doch auch dort erlebst du so manches Abenteuer. Zum Beispiel wettertechnisch. Im Allgäu gibt es nämlich den Winter. Kein Winterchen, in dem mal einzweidrei Zentimeter Schnee liegen, sondern Winterwinter. Und obwohl hier alle daran gewöhnt sind und mit Schnee können, bekommen sie es nie hin, die Bundesstraße zum Berufsverkehr (in meinem Fall zwischen acht und neun Uhr) frei zu räumen. Auch wenn es seit Stunden nicht mehr schneit. Du kriechst also mit 50 Stundenkilometern, die sich verdammt schnell und riskant anfühlen, auf die Arbeitest und betest, irgendwann anzukommen und nicht im Graben zu landen. Genauso gut kann es aber passieren, dass ihr alle Klimazonen während der Fahrt erlebt. Als ich das erste Mal auf der B12 unterwegs war, kam es genauso: Zu Beginn schien die Sonne, dann regnete es in Strömen mit Hagelkörnern, dann wieder Sonne, ein Regenbogen (wie schön!), dann fünf Kilometer lang Schnee auf den Feldern, bevor es wieder regnete, aber nur leicht. Ehrlich, es könnte ein Slogan des Allgäus sein: Alles ist möglich.

Und das meint nicht nur das Wetter. Auch die Autofahrer. Egal, wie die Fahrbahn aussieht, sie kann auch völlig verschneit oder spiegelglatt sein: Allgäuer fahren nicht langsamer. Im Gegenteil: Sie lachen mich noch aus, weil ich mich nicht traue, mehr als 60 Stundenkilometer zu fahren. Bei Sonnenschein oder trockener Straße ist das noch schlimmer. Da werde ich überholt, obwohl ich 110 Sachen fahre. Am angsteinflößendsten ist das, wenn die Strecke mal nicht dreispurig ist, sondern nur zwei Spuren hat und womöglich Gegenverkehr kommt. Oft genug habe ich es schon erlebt, dass es knapp war. Zweimal kam mir sogar einer frontal entgegen und konnte im letzten Moment einscheren. Hallo, wach. No coffee needed. Im Worse Case kommt es sogar zu einem Unfall und im Worst Case ist die B12 mal wieder gesperrt. Umleitung? Über Land...

Aber hey, es gibt auch Tage, da passiert nichts davon. Da ist die Straße trocken, die Sonne scheint und die Menschen fahren auch irgendwie normal. An diesen Tagen bringt das Pendeln einen Vorteil: Ich kann die Musik aufdrehen und laut mitsingen. Im Sommer sogar bei offenem Fenster und mit Sonnenbrille. Und genau an diesen Tagen merke ich, dass die weite Strecke eigentlich halb so wild ist.

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