Meine 5 Minuten gehen diese Woche an... die Digitalisierung!

...oder warum ich dieses Wort nicht mehr hören kann


Foundry Co auf Pixabay 
Digitalisierung, für mich ein absolutes Unwort. Das habe ich mir gestern wieder gedacht, als ich bei einer Podiumsdiskussion war. Eine Landesministerin hat mit diversen Menschen darüber gesprochen, wie sich Digitalisierung und Lehre verbinden lassen. Der Konsens am Ende des Abends war: Deutschland macht das super, Digitalisierung ist super und wichtig und überhaupt schwebt über allem ein großer Regenbogen.

Das betrifft aber nicht nur vereinzelte Veranstaltungen irgendwo im Lande. Nein, Digitalisierung scheint ein Trend zu sein. Überall geht es darum, allen voran in der Politik. Das führt bei mir zur Verzweiflung - nicht, weil ich das Internet doof finde oder mich verweigere. Ganz im Gegenteil. Ich finde diesen Trend ganz schön heuchlerisch.

Für Digital Natives sind digitale Medien selbstverständlich

Meine Generation gehört zu den Digital Natives. Ich bin mit Medien groß geworden, konnte als Kind schon Computer bedienen und hatte mit 14 Jahren mein erstes Smartphone. Für mich und viele andere in meinem Alter sind das Internet und entsprechende Medien nichts Neues. Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass das für alle unter 40 Jahren gilt. Unser Leben ist heute schon so stark mit all dem verwoben - ohne Internet ginge nichts mehr. Entsprechend selbstverständlich ist Digitalisierung für uns.

Und das ist jetzt das perfide: Dieser Trend wird nämlich nicht von den U40ern vorangetrieben, sondern von der älteren Generation. Von denjenigen, denen Smartphones, Instagram und Laptops irgendwie fremd sind. Sie springen jetzt auf den Zug auf und wollen die digitale Infrastruktur voranbringen, weil sie endlich verstanden haben, dass "dieses Internet" doch nicht wieder von der Bildfläche verschwindet. Fast 20 Jahre, nachdem wir Jungen es verstanden haben.

Deshalb wird überall darauf herumgeritten. Uni muss digitaler werden, Schule am besten auch. Und die Arbeit. Am besten irgendwie alles. Ist ja cool und wichtig. Nur so bleiben wir "up to date". Dabei haben wir eine digitale Infrastruktur, die einen zur Fassungslosigkeit treibt: 5G ein Wunschtraum, öffentliches Wlan selten, Glasfaser kommt gerade, mancherorts. Andere Orte haben weder Netz noch Breitband. Aber dann Digitalisierung über alles. Klar.

Verlieren wir uns vor Bildschirmen, weil das so cool ist? 

Denn genau dieser Hype sorgt für das noch größere Problem, das einfach in Kauf genommen wird: Internet und Medien sollen so stark vertreten sein, dass alles irgendwie online funktioniert. Mal an die Soft Skills gedacht? Ans Zwischenmenschliche? Das vermittelt das Internet nicht. Ein Zwölfklässler merkte bei der Podiumsdiskussion an, er wünsche sich nur noch Tablet und Laptop statt Büchern. Und dann? Verlieren wir uns alle vor Bildschirmen, weil das so cool ist?

Es stört mich jetzt schon, wenn ich mit meiner Familie oder meinem Freund zusammensitze und jeder stupide vor sich auf sein Smartphone starrt. Das zeugt nicht von digitaler Kompetenz, sondern von mangelnder Bereitschaft, seinem Umfeld Aufmerksamkeit zu schenken. Und damit von mangelndem Respekt.

Außerdem, das merke ich ja an mir selbst, geht die Aufmerksamkeitsspanne durch die Medien flöten. Wenn ich Serien schaue und sie nicht zu 100 Prozent spannend sind, habe ich nebenbei mein Smartphone in der Hand. Morgens ist eine meiner ersten Handlungen, Nachrichten und Social Media auf dem Handy zu checken. Dafür lese ich kaum noch. Das stört mich, daran möchte ich arbeiten.

Das wahre Leben findet nicht hinter dem Screen statt

Was nämlich bei dieser heuchlerischen Debatte völlig vergessen wird ist, dass das wahre Leben nicht hinter dem Screen stattfindet und nie stattfinden wird. Wahre Freundschaften knüpfen sich nicht online. Abenteuer gibt es im Internet auch nicht. Das passiert draußen, vor euren Augen, nicht vor dem Bildschirm. Dafür müsst ihr etwas tun und zwar mehr als nur Daddeln.

Was passiert, wenn man sich zu sehr auf die Onlinewelt einlässt, zeigen Studien und die Berichterstattung. Die Einsamkeit steigt, die sozialen Kompetenzen sinken. Deshalb wäre es schön, einfach mal den Ball flach zu halten und das ganze Thema realistisch zu sehen. Neue Medien und das Internet sind gut und wichtig, aber damit muss man umgehen können. Immer schön vorsichtig, sozusagen. Die Risiken nicht einfach weglächeln, sondern angehen und dagegen vorgehen. Und zwischen all dem das behalten, was uns Menschen neben Intelligenz ausmacht: Empathie, Begeisterungsfähigkeit und einen reellen Bezug zum Leben. Nur dann macht der Trend tatsächlich wieder Sinn.

Wer immer noch glaubt, dass das alles einfach nur geil ist und jeder, der das anders sieht, ein Hinterwäldler, der sollte sich mal die Serie Black Mirror auf Netflix ansehen. Vielleicht hilft wenigstens das, das Thema Digitalisierung einzuordnen.

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