Mein Plädoyer gegen... Übergrößen!

 ...oder warum sich in der Modeindustrie endlich etwas ändern muss

Foto von Valeriia Miller, Pexels
Mit großem Erstaunen habe ich vor Kurzem die Nachricht gelesen, dass H&M seine Übergrößen-Kollektion aus den Geschäften nimmt. Online sei die Ware ja weiterhin erhältlich, heißt es vom Konzern, sogar in noch größerer Auswahl, aber die Nachfrage nach diesem Segment sei so gering, dass es sich nicht lohne. 

Na, danke. Als hätte es die mollige Frau nicht ohnehin schwer genug, jetzt setzt dieser Konzern noch eins drauf. 

Frauen jenseits von Größe 42 haben ein neues Problem

Wer davon nicht betroffen ist, wird sich kurz wundern, den Kopf schütteln und normal weiterleben, aber wer selbst Mode jenseits von Größe 42 trägt, kennt die Probleme und hat jetzt sogar ein neues. Das Thema Übergrößenmode ist seit Jahren schon eine einzige Berg- und Talfahrt und auch ich habe über die Jahre damit viel Freude und Ärger erlebt. 

Das fing schon in meiner Jugend an. Damals, als ich nach gesellschaftlichen Standards noch "schlank" war, also bei den meisten Klamotten Größe 38 trug, hatte meine Hüfte schon entschieden, mehr zu wollen. Größe 42. Theoretisch in jedem Laden vorhanden. Dummerweise waren die Hosen nahezu überall anders geschnitten, sodass ich nur bei einer Kette zuverlässig immer Hosen fand, die mir standen, die bequem waren und die ich gerne trug. 

Fast überall nur XS bis L 

Dann ein Aufatmen: H&M ergänzte seine regulären Kollektionen um Größe 44. Darüber hinaus immer noch XS bis L. Tatsächlich war das Geschäft in manchen Punkten ein Vorreiter, was Übergrößen betrifft, hätte es sich nicht gelegentlich mal richtig in die Nesseln gesetzt. Und obwohl ich die Größe 44 erst einmal löblich fand, schlummerte darin eine solche Nessel. 

Mein Körper hatte sich bereits dazu entschieden, auch obenrum auf Größe 42 zu wachsen und so suchte ich vor meinem ersten Bewerbungsgespräch einen schönen Blazer. Wegen der neuen Größensortierung ging ich direkt in einen großen H&M-Shop und probierte mich durch. Die Ernüchterung kam schnell: Nicht einmal Größe 44 passte mir, was nicht an meinem Körper lag, sondern am Schnitt. Statt also tatsächlich eine weitere Größe aufzunehmen, hat der Laden einfach nur umbenannt. 42 wurde zu 44, alles war richtig eng. Komisch, als ich einen anderen Laden aufsuchte, passte ich sofort in alle 42er-Blazer. Netter Trick, H&M. 

Plötzlich tut sich etwas

Einige Jahre später die nächste Überraschung: Plötzlich tauchten im regulären Sortiment auch Größe 44 bis 46 auf. Dieses Mal, der Laden hatte wohl etwas gelernt, fielen die Klamotten auch tatsächlich so aus. Darüber hinaus fand sich über die Jahre auch H&M+, also die Übergrößen-Kollektion, in den Shops. 

Ich hatte wieder Klamotten, die mir gut passten, musste nicht mehr suchen und konnte regulär shoppen gehen. Traurigerweise ging das bloß bei H&M, weil andere Läden weiter an ihrer 34 bis 42 festhielten. Ich verlor die Lust am Einkauf im Geschäft, kaufte lieber online. 

Dynamik kommt in den Markt

Und jetzt? Jetzt kommt auf einmal Dynamik in den Markt. Einige Modeketten haben über die Zeit hinterhergezogen, viele haben jetzt auch eine "Curvy-Collection" jenseits von 42. Meistens sieht das sogar gut aus, denn lange war Mode für Mollige verpönt und sah auch so aus. Nichts gegen Kartoffelsäcke, aber tragen möchte ich sie nicht. 

Die Industrie hatte lange nicht verstanden, wie sie schöne Mode für mollige Frauen macht, also solche, die die besten Seiten der Frauen hervorholen, das Positive betonen und etwas besonderes sind. Inzwischen hat sich viel getan. Only hat jetzt Carmakoma, Vero Moda hat eine neue Curvy-Collection, Mango hat Violeta und selbst Tom Tailor kam in diesem Jahr dazu. 

Ich bin gezwungen, online zu bestellen

Klingt ja erst einmal gut. Das Problem: Im Laden gibt es die Kollektionen fast nie. Ich bin als Kunde gezwungen, online zu bestellen. Und das Problem liegt im Ursprung. Würden alle Marken die Klamotten auch im Geschäft führen, würde molligen Frauen das Shoppen viel mehr Freude machen, sie würden lieber in den Innenstädten bummeln und kaufen. Da aber fast nur H&M diese Größen geführt hat, war das Publikum auf diesen Laden angewiesen - oder ist vorsorglich gar nicht erst losgezogen, um vor Ort zu kaufen. Für die Ökubilanz eine Katastrophe, was mich persönlich sehr stört. 

Kaum Angebot, kaum Nachfrage

Dass aber nicht genügend Nachfrage nach H&M+ da war, liegt ja darin begraben. Kaum Angebot, kaum Nachfrage. Die Kunden ziehen sich zurück. Würden alle Shops mit positivem Beispiel voran gehen, hätten alle Kollektionen mehr Chance, auch wahrgenommen zu werden. Ich glaube nämlich, dass ganz viele Frauen online nur ungerne bestellen, sondern auch mal bummeln wollen, nicht nur wegen des Klimas. 

Die Entscheidung von H&M kann ich also einerseits verstehen. Aber sie löst das Problem nicht. Eine Lösung wäre, Mode für kurvige Frauen salonfähiger zu machen, sie aktiv zu vertreiben, auch im Laden. Nicht nur ein Shop, sondern alle. Curvy-Kollektionen sollten endlich in der Gesellschaft kommen. 

Curvy-Mode? Nein, normale Kollektionen

Mein Traum: Es gibt keine solchen Kollektionen mehr. Nicht, weil sie endgültig abgeschafft werden, sondern weil ganz reguläre Kleider in Größe 34 bis 54 erhältlich sind. Weil das normal ist. Dann gäbe es für H&M keinen Shitstorm, für Frauen jenseits der 42 Einkaufsmöglichkeiten, der Markt vor Ort würde angekurbelt werden und die Zufriedenheit wäre höher. Wäre doch, was oder? Aber bis dahin, fürchte ich, muss noch sehr, sehr viel passieren. 

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