Mein Plädoyer gegen... sollte, hätte, wäre!

 ...oder warum wir den Konjunktiv aus unserem Alltagswortschatz streichen müssen

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Letztens habe ich mich mal wieder erwischt. Ich lag auf der Couch, müde und platt von der Arbeit, fast kränklich in dem Moment, angeschlagen. Mir fehlte Energie, ich wollte einfach nur vor mich hin dösen und in irgendeiner Serie versinken. Doch vor Kurzem hatte ich erst mit regelmäßigem Sport angefangen und wusste, dass ich ihn an diesem Abend auch wieder machen sollte. 

Und zack, erwischt

Und zack, erwischt. Da ist es, das böse Wort, das mich grämt: sollte. Ich erwischte mich nicht dabei, dass ich faul war und mich vor dem Sport drückte - was in dem Zustand tatsächlich nicht der Fall war - sondern dabei, mir trotzdem ein schlechtes Gewissen zu machen. Sollte impliziert nämlich, dass das, was ich wirklich tat, falsch war, ich mich also drückte. Und damit machte ich mir mal wieder den Abend schwer. 

Der Konjunktiv kann in vielen Belangen hilfreich sein - vor allem in meinem Job als Redakteurin - aber in unserer Alltagssprache ist er ein böser Verbmodus, der harmlos daherkommt, uns aber unnötig viele Probleme bereitet. Dabei gilt es doch eigentlich bloß, unsere Denkweise etwas anzuschubsen und den Konjunktiv zu verbannen, schon lebt es sich leichter. 

Ein piesackendes Wort

Nehmen wir mal das Beispiel "sollte". Dieses Wort ist ja nicht besonders hilfreich. Jedes Mal, wenn wir es verwenden, teilen wir uns auf piesackende Art mit, dass wir uns vermeintlich falsch verhalten. Wir wollen uns damit in die richtige Richtung schubsen, aber mal ehrlich, wie oft funktioniert das? Ich sollte mal wieder zum Sport, ich sollte jetzt besser etwas lesen statt zu streamen, ich sollte mich gesünder ernähren. 

Die Aufforderung ist klar, aber selten sorgen diese Gedanken dafür, dass wir voller Elan aufspringen und unser Leben in die Hand nehmen, oder? Stattdessen zieht das schlechte Gewissen ein, das allem, was wir gerade machen und was uns vielleicht auch guttut, ein Geschmäckle gibt. 

Wollen statt sollen

Besser ist, das "sollte" durch  und "muss" zu ersetzen. Du willst dich gesünder ernähren? Okay, dann sag dir doch einfach, dass du dich gesunder ernähren möchtest und das eben nicht tun solltest. Und wenn du feststellst, dass du etwas bislang "solltest", es aber nicht willst, dann streich es ganz aus der Liste, denn dann ist es einfach nicht erstrebenswert. So einfach kann es sein. 

Bei einer anderen Bloggerin habe ich gelesen, dass es hilfreich ist, in unseren Vorgaben grundsätzlich nur in "Ich möchte" und "Ich muss" zu denken. Dadurch ist uns klar, was unsere realen Pflichten sind (Arbeit zum Beispiel) und was unsere Wünsche. Alles zwischen drin sollte (hihi) keinen Platz in unserem Leben haben. 

Der Konjunktiv dreht die Zeit nicht zurück

Doch damit mal nicht genug. Der nächste Punkt auf meiner Konjunktiv-Hass-Liste: Was wäre, wenn oder hätte ich doch. Besonders in Situationen, in denen es gerade nicht so rund läuft wie gewünscht ploppt bei mir diese Formulierung auf. Dann frage ich mich, wie mein Leben aussähe, hätte ich zwischendrin eine andere Abbiegung genommen - denkbar ist vieles. Das Problem ist: Sämtliche Gedanken sind eben nur Gedanken, hypothetisch und somit unwahr. Dieser Konjunktiv sorgt also bloß dafür, dass ich mich noch ein bisschen beschissener fühle. Die Zeit zurückdrehen kann der Konjunktiv ja nicht. 

Wieso also nicht im Jetzt hinterfragen, wo es hakt? Es ist eindeutig lösungsorientierter und macht glücklicher, herauszufinden, was gerade schief läuft und warum wir uns in ein Paralleluniversum wünschen. Finden wir das heraus, nähern wir uns auch schon wieder der richtigen Spur an und das hypothetische "Was wäre, wenn" ist plötzlich gar nicht mehr so entscheidend. 

Tausend Optionen, zu wenig Ressourcen

Kommen wir zum dritten Hass-Konjunktiv: könnte. Das klingt immer schön verlockend und optional. Ich könnte noch... und schon steht im Kopf die Welt offen, alles ist möglich. Blöd, dass ein Tag lediglich 24 Stunden hat, von denen wir auch noch durchschnittlich acht Stunden arbeiten. Wir könnten also theoretisch sehr viel, wenn Zeit, Energie und Ressourcen vorhanden sind. 

Klingt ja erst einmal nach einem unproblematischen Konjunktiv. Aber Pustekuchen. Denn Stellen wir uns vor, was wir alles tun könnten und tun es am Ende aus Gründen eben doch nicht, kommt das Gefühl auf, versagt zu haben. Oder die To-Do-Liste im Kopf wächst, bis wir den Überblick verlieren. 

Besser im Hier und Jetzt als in irgendeinem Paralleluniversum

Was hilft also? Klingt zwar esoterisch, aber im Hier und Jetzt zu leben, ist doch mal ein Plan. Es bringt uns und unsere Psyche nichts, der Vergangenheit hinterher zu trauern, uns nach etwas anderem zu sehnen, ständig Erwartungsdruck aufzubauen oder mit verlockenden Optionen zu liebäugeln, die am Ende unmöglich sind. Wenn wir uns klar machen, dass es auch mal okay ist, nicht überdiszipliniert zu sein und sich mal gehen zu lassen, den Zustand in der Gegenwart vielleicht sogar zu genießen und dabei auch noch darauf zu verzichten, tausend Pläne zu machen, lebt es sich deutlich leichter, oder? 

Ich habe heute mal damit angefangen und bewusst nichts gemacht. Wirklich nichts. Außer diesen Blogeintrag, auf den ich richtig Lust hatte. Und? Es geht mir sehr gut dabei! 

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