Gehen statt bleiben: Abschiede

Und dann ist da dein Herz und dein Verstand. Und irgendwo dazwischen tut's weh. 
Bosse, Irgendwo dazwischen

Abschiede gehören für mich zu den Dingen, mit denen ich nicht umgehen kann. Das fängt schon damit an, dass ich sie erst einmal in den hintersten Winkel meines Kopfes schiebe und zutiefst verdränge. Selbst am entscheidenden Zeitpunkt will ich Abschiede nicht wahrhaben, weil ich sonst traurig bin, heule und das nicht nur äußerlich, sondern auch wochenlang innerlich. Aber damit bin ich nicht alleine. Viele haben gehörige Probleme mit Abschieden. Eine Weile lang habe ich Menschen bewundert, die damit gut umgehen können. Aber gar keine Sentimentalität fühlt sich auch falsch an. Denn dann hat die Zeit davor auch nicht viel bedeutet. Umgekehrt gibt es auch Menschen, die Abschieden ganz aus dem Weg gehen. Entweder halten sie es kurz und knapp - oder sie verabschieden sich gar nicht und gehen einfach. Eine noch miesere Lösung. 

Jedenfalls hasse ich Abschiede. Denn obwohl sie nicht immer endgültig sind, schwingt jedes Mal genau dieses Endgültige mit. Danach ist doch alles anders, auch wenn man es nicht wahr haben will. Der Verabschiedete verschwindet schließlich, sei es vom Arbeitsplatz, von der Uni oder sogar aus der Stadt. Das Aufrechterhalten des vorherigen Zustands kostet auf einmal Anstrengung. Man muss anrufen oder mailen oder simsen. Dieses automatische Wir-sehen-uns-Morgen hört eben auf. Deshalb hat es mich auch nicht gewundert, dass von den Menschen, mit denen ich Abitur gemacht habe, eigentlich keiner mehr wirklich an meinem Leben teil nimmt. Und das ist nicht einmal ungewöhnlich, sondern der Lauf der Dinge. 

Umso schwerer fällt mir der Abschied, der mit letztem Wochenende begonnen hat. Mein Umzug nach Bayern. Weil ich weiß, dass von dem was war, nicht mehr viel bleiben wird. Natürlich sind da meine Freunde, die ich weiterhin sehen, aber letztlich doch mehr hören werde. Die Leichtigkeit fällt nämlich weg. Man kann plötzlich nicht mehr spontan auf einen Kaffee vorbei gehen oder sich auf ein Bier in der Stadt treffen. Plötzlich trennen uns 380 Kilometer oder sogar noch mehr. Vier Stunden Auto- und Zugfahrt. Das ist eine Menge. Treffen sind ab jetzt mit Planung und viel mehr Aufwand verbunden. Ganz abgesehen davon, dass ich auch weniger Zeit haben werde, schließlich arbeite ich ab Januar Vollzeit. 

Genauso geht es mir mit meiner Familie. Wir haben zwar regelmäßig telefoniert, aber uns auch regelmäßig gesehen. Das wird jetzt sehr viel seltener sein. Und da ich die erste in meiner Familie bin, die den Ortsverbund verlässt, ist es umso schwerer. 

Insgesamt habe ich diesen Abschied lange vor mir her geschoben. Ich hab zwar drüber geredet, aber mit einer gewissen Distanz, als läge das alles nicht unmittelbar vor mir, sondern wäre bloß ein Plan in ferner Zukunft. Bis meine Kollegen mir auf der Arbeit einen offiziellen Abschied bereiteten. Mit Geschenk und vielen lieben Worten. Da wurde mir enorm schwer ums Herz. Oder als meine liebsten Mainzer Freundinnen am Freitag, mitten im Umzug, noch mal vorbei kamen und wir zusammen Wein tranken, einfach weil wir uns noch einmal sehen wollten. Spätestens als bei ihnen die Tränen kullerten, wurde mir noch schwerer ums Herz. Und zwischendrin ploppte immer wieder die Frage auf: Will ich das wirklich? Kann ich nicht noch einen Rückzieher machen? 

Was mich die ganze Zeit davon abgehalten hat sind zwei Dinge: Einmal muss man sich im klaren sein, dass das Leben aller Menschen weiter geht. Dass ich, zusammen mit einer anderen Freundin die erste bin, die den Ort und die Lebenssituation so gravierend verändert, war Zufall, aber es hätte auch jeder andere in meinem Freundes- und Bekanntenkreis sein können. Warum also aus Nostalgiegründen stehen bleiben? Außerdem soll man seine Chancen ergreifen - und das hab ich getan. Auch wenn diese Chance mit einem kompletten Neustart einher geht. 

Inzwischen habe ich die Abschiede hinter mir. Noch fühle ich mich nicht einsam, verloren oder habe schlimm Sehnsucht nach meiner alten Herzensheimat. Doch es kommt ja zuerst einmal Weihnachten, da bin ich ohnehin Zuhause. Und im Januar beginnt mein neuer Job, auf den ich mich natürlich auch sehr freue und der mir bestimmt ordentlich Trubel bringt. Aber zwischendrin wird es immer wieder Momente geben, in denen mir meine Lieblingsmenschen ganz arg fehlen werden. Glücklicherweise gibt es immerhin noch das gute, alte Telefon. 

Ab kommender Woche startet meine neue Reihe: Welcome to Bavaria! Hier werde ich von meinen Eindrücken und Erlebnissen in Bayern berichten - vor allem natürlich davon wie es ist, als Rheinhessin ins Allgäu zu kommen. Kulturschock? Mal sehen. Lest euch rein!

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