Wie die Kinder! Warum wir mehr Vorfreude brauchen

Früher habe ich mir ausgemalt, wie es ist, erwachsen zu sein. Heute kann ich mich kaum noch erinnern, wie ich als Kind war. Dabei machen doch die Kindheit so viele tolle Eigenschaften aus, die mit jedem Lebensjahr immer weiter verkümmern. Deshalb möchte ich in meiner dreiteiligen Serie "Wie die Kinder" über drei dieser Eigenschaften schreiben. Darüber, warum wir sie uns in unser Leben zurückholen sollten. Der erste Teil dreht sich um die Vorfreude. 

Als Kind konnte ich eines besonders gut. Ich war in manchem schlecht, in vielem okay, aber in einer Sache war ich ein Naturtalent: Ich beherrschte Vorfreude. Stand irgendetwas an, was auch nur halbwegs schön sein könnte (ohne jede Garantie oder Erfahrung), glühte ich innerlich wie eine Wunderkerze, deren Funken immer mehr in Richtung Ereignis abbrannte. Und je weiter die Funken wanderten, desto heller brannten sie.

Ich erinnere mich heute noch ganz genau daran, wie ich jedes Jahr am 23. Dezember abends im Bett lag und ganz sicher wusste, dass ich nicht schlafen würde. Stattdessen zappelte ich unter meiner Decke herum, stellte mir dabei vor, was alles Wunderbares an Weihnachten passieren und was ich bekommen würde, bevor mich irgendwann tief in der Nacht doch der Schlaf mit sich riss, wenn sich das Adrenalin in meinem Körper nicht mehr wehren konnte.

Fröken Fokus
Vorfreude war einfach die schönste Freude, nicht nur sprichwörtlich. Weil sie die Fantasie beflügelte, weil sie einen tagelang elektrisierte, weil sie so schön unbändig war. Mit ihr schien alles möglich. Alles könnte passieren. Und alles war einfach grandios. Das merke ich auch heute noch manchmal, aber ich merke noch viel mehr, dass sich die Vorfreude in all den Jahren nach und nach etwas zurückgezogen hat. Erwachsene sind anders. Und dafür gibt es auch Erklärungen.

Zum Beispiel ist da die Erfahrung. Wir lernen einfach früher oder später, dass sich Vorfreude nicht lohnt. Am Ende ist doch alles anders als erwartet, nicht so schön, vielleicht sogar enttäuschend. Wer das weiß und auch weiß, welche negativen Überraschungen das Leben parat halten kann, freut sich gar nicht erst. Wie heißt es so schön? Ein Pessimist ist ein Optimist mit Erfahrung. Oder: Ein Pessimist kann nicht enttäuscht werden. Genauso ticken Erwachsene manchmal. Sie - vielmehr wir - gehen den leichten Weg der Vorsicht. Und Vorsicht passt nicht zu Vorfreude, auch wenn beide Wörter dieselbe Vorsilbe haben.

Der Alltag blockiert uns genauso wie die Achtsamkeit 

Dann wäre da auch noch der Alltag. Der zwingt uns oft dazu, auf dem Boden zu bleiben. Wer montags weiß, dass ich noch ganze fünf Tage arbeiten muss bis zum heiß ersehnten Wochenende, auf das ich mich freue, sieht das Ziel in weiter Ferne. Und weil sich jeder von uns auf der Arbeit im Studium fokussieren muss, um zu funktionieren, verschwindet das freudige Ereignis schnell im Hinterkopf - und mit ihm die Vorfreude.

Zuguterletzt - und das beeindruckt mich immer wieder - leben Erwachsene gerne "im Hier und Jetzt". Das machen sie im Sinne der Achtsamkeit. Jeden Moment genießen, in der Gegenwart sein und so weiter. Ihr merkt schon, davon halte ich nicht zwingend viel. Klar macht es Sinn, sein Leben nicht an mögliche Zukunftsszenarien zu verschwenden. Gewissermaßen ist das gegenwärtig sein ganz richtig. Wer das aber zu sehr macht, nimmt sich ein großes Stück Vor- und damit Lebensfreude.

Denn Vorfreude hat große Vorteile: Sie hangelt einen über die miesen Tage. Wer weiß, dass ein erfreuliches Erlebnis bevorsteht, sieht die Dinge viel gelassener. Das macht einiges erträglicher. Vorfreude kann auch ein Ansporn sein, weil das eigentliche Ereignis eine Belohnung ist. Und Vorfreude schenkt uns Energie, wenn wir einen Durchhänger haben. Sie macht uns optimistisch. Klar, womöglich ist am Ende das Erlebnis gar nicht so toll. Aber lieber fünf Tage lang vorher freuen als möglicherweise gar nicht.

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