Meine Ode ans... alleine Reisen!

...oder warum ich erst einen gesunden Respekt hatte, es am Ende aber ganz wunderbar wurde

"Das ist doch komisch", sagte mir mein Freund vor einigen Wochen, als ich ihm euphorisch davon erzählte, dass ich demnächst alleine Urlaub machen würde. Er sagte das nicht, weil er gerne dabei sein wollte, sondern weil er es so ungewöhnlich, so "außer der Reihe" fand. Und wenn ich ehrlich bin, ging es mir nicht anders.

Zwar hatten zwei meiner Freundinnen schon riesige Soloreisen gemacht - einmal Erasmus nach Spanien, einmal ein Jahr lang durch Südamerika und Australien - und ich bewunderte sie derart dafür und für die einhergehenden Veränderungen, dass ich selbst einmal allein raus wollte. Umgekehrt erfüllte es mich mit einer gewissen Furcht, mich allen Situationen auf der Reise alleine stellen zu müssen. Genau das macht auch dieses "komisch" aus - es geht nicht darum, dass man die Alleinreisenden seltsam findet, sondern den Gedanken, völlig auf sich selbst gestellt zu sein.

Alleine Urlaub? Den wollte ich nutzen

Dass ich trotz meiner Bedenken beschlossen habe, zwei Soloreisen zu machen, hatte am Ende ganz pragmatische Gründe. Wegen der Sonntagsdienste, die ich leisten muss und für die ich einen Ausgleichstag bekomme, und meines großzügigen Urlaubskontos komme ich auf deutlich mehr freie Tage als mein Freund. Jetzt bin ich aber nicht der Typ, der eine Woche lang Zuhause auf meiner oder seiner Couch herumgammeln möchte. Ich will die Zeit nutzen, wenn sie schon mal frei ist. Und weil sich lange Familien- und Freundesbesuche nicht so leicht unterbekommen lassen, habe ich mir höchst effizient einen Plan zusammengestellt, der alles vereint: Freunde, Familie und Solozeit.

Ursprünglich hatte ich überlegt, einfach ein paar Tage im Wellnesshotel abzusteigen und im wahrsten Sinne des Wortes unterzutauchen, aber weil ich zwei Wochen Urlaub vor mir hatte, erschien mir das zu langweilig. Außerdem weiß ich, dass sich mein Freund nur mit viel Nervengezerre für Städtereisen begeistern lässt. Also kam ich konkret zu folgendem Ergebnis: In meinem ersten Urlaub wage ich mich an die Light-Version des alleinigen Reisens und besuche eine Therme inklusive  Hotel. In meinem zweiten Urlaub fahre ich vier Tage lang in das niederländische Regierungszentrum Den Haag (wobei voraussichtlich auch wieder ein Städtetrip herausspringt).

Von Anfang an selbstbestimmt

Dariusz Sankowski auf Pixabay 
Schon mal der erste Punkt: Es ist unglaublich befreiend, selbst entscheiden zu können, wohin die Reise geht. Zwar grätscht dann wieder das riesige Möglichkeiten-Meer dazwischen, was die Sache erschwert, aber sich durchzufuchsen, macht einfach Spaß. Vor allem konnte ich komplett auf meine Bedürfnisse eingehen, was beim Reisen sonst eher schwierig wird zwischen all den Kompromissen. Ich durfte entscheiden, ob ich fliegen möchte - oder nicht - wie viel Budget ich habe und was mich am Ende am meisten reizt. Das alles hat gut zwei Wochen gedauert, aber mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden.

Und damit möchte ich euch einfach mal berichten. Mein erster Schritt war der Ausflug in die Therme. Ich hatte diesen Ausflug zwischen den Besuch von Freunden und meiner Familie gesteckt, damit ich wirklich eine längere Anfahrt habe und es sich wie eine Reise anfühlt. Tatsächlich war dieser Zwischenschritt gut, denn einen Tag und eine Nacht alleine lassen sich gut über die Bühne bekommen, auch wenn es mies läuft.

Spoiler: Lief es aber gar nicht. Es tat gut, alleine in die Therme zu gehen. Keine Rücksicht nötig, kein Management. Ich machte einfach, was ich wollte, suchte mir die interessantesten Saunas raus und gönnte mir sogar eine Massage. Zugegeben, es kostet alles Überwindung. Am seltsamsten ist, sich orientieren zu müssen und herumzuirren wie der erste Mensch.

Pärchen, Cliquen und Mitleid lassen sich ignorieren

Und es kommen zwei weitere Dinge hinzu, an die ich mich gewöhnen musste: Zum einen begegneten mir entweder Pärchen, die kuschelten, oder Cliquen, die miteinander Spaß hatten. Alleine geht wohl kaum jemand in die Therme. Das zu sehen und nicht doch ein wenig Sehnsucht nach meinen Lieben zu bekommen, war manchmal schwierig. Und auch beim Essen (zu dem Thema komme ich noch ausgiebiger) mitleidig gefragt zu werden, ob ich alleine bin (Oh, die Arme) ist nicht schön. Da hilft nur: drüber stehen und weitermach
en.

Im größeren Stil habe ich das jetzt auch in Den Haag erlebt. Voller Vorfreude bin ich losgefahren, nachdem ich mir einen Abend lang Pläne geschmiedet und Organisatorisches vorbereitet hatte. Aber schon beim Umsteigen in Utrecht hatte ich einen unnormal hohen Puls. Noch schlimmer dann in Den Haag am Bahnhof: Wo muss ich hin? Welche Tram nehme ich? Das alles auf die Reihe zu bekommen, war wirklich anstrengend und dauerte locker 90 Minuten, obwohl das Hotel gar nicht so weit weg war. Auch abends alleine in der Stadt herumzuspazieren, um sich einen Überblick zu verschaffen, fühlte sich befremdlich an. Ich habe mich auch wirklich ein wenig einsam gefühlt.

Kein Gezeter und Gezerre

Das gute an uns Menschen ist: Wenn sie sich erst einmal daran gewöhnt haben, geht es ganz gut. Schon das Frühstück am ersten Morgen war entspannter und als ich mit meinem Öffi-Plan die Trams verstanden hatte, brachte mich auch da nichts mehr aus der Ruhe. Also bummelte ich und entdeckte die Stadt, ganz ohne schlechtes Gewissen. Im Gegenteil. Ich konnte die Stadt für mich entdecken und musste sogar ein wenig schmunzeln, wenn Frauen ihre Männer in irgendwelche Geschäfte zerrten. Nein, mit mir nicht.

Auch alleine im Hotel übernachten gefiel mir ziemlich gut. Zum Start des alleine Reisens habe ich mir kein billiges Hostel ausgesucht - da hätte ich wohl doch zu viel Angst bekommen - sondern ein Vier-Sterne-Hotel. Eine gute Entscheidung, weil ich mich dort einfach zurückziehen konnte und mich wohlgefühlt habe. Das ist, wie ich finde, ein ganz wichtiger Punkt, denn wenigstens in den vorübergehenden vier Wänden kann man sich sicher fühlen, wenn einem doch mal alles zu viel wird (Anfangs dachte ich ja sogar: Wenn es ganz scheiße kommt, kann ich mich ja vier Tage im Hotel verschanzen, bezahlt ist es ja. Aber mal ehrlich, wer macht das schon? War ja auch gar nicht nötig).

Organisatorisch hat also alles geklappt, weil ich mich vorbereitet habe, mich auf mich selbst verlassen konnte und mich verständigen kann. Englisch klappt hier ganz gut, egal wo. Kommen wir zum schwierigeren Punkt, dem Essen. Nichts finde ich unangenehmer, als in einem Restaurant oder einer Bar zu sitzen und auf die Mahlzeit zu warten (siehe Therme). Entweder wirkt man wie ein Freak oder einsam, so dachte ich. Beides furchtbar. Also habe ich am ersten Abend einen Trick angewandt. In meiner Nachbarschaft befindet sich ein Vapiano. Da warte ich zwar auch aufs Essen, aber im Stehen in der Schlange. Viel angenehmer. Das ist schon mal der erste Schritt, wenn es an Restaurants geht. Und ich hab mich wirklich wohl gefühlt. Wer sich das auch nicht traut, sollte es mit Imbissen probieren, notfalls McDonalds oder Take-Away-Läden. Da ist alleine sein nicht so ungewöhnlich.

Mit einem Buch gegen das komische Gefühl

Für den nächsten Level habe ich aber auch eine Taktik entwickelt (denn ich möchte mich wirklich nicht von sau leckerem Essen abhalten lassen, nur weil ich mich womöglich kurz einsam fühle). Ich nehme mir einfach ein Buch mit. Und während das Essen auf sich warten lässt, kann ich in Ruhe schmökern. Das klingt zwar ungewöhnlich, aber hat mir jedes negative Gefühl genommen. Sogar so sehr, dass ich am dritten Abend erst gar keins mehr mitgenommen habe. Aber unwohl fühlen muss man sich eigentlich nie. Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass Leute alleine essen gehen, besonders in der Großstadt. Beobachtet andere, schaut euch um, hängt euren Gedanken nach. Völlig okay. Mitleidige Blicke oder Sprüche habe ich in Den Haag jedenfalls nicht um die Ohren bekommen.

Damit komme ich auch schon zu meinem Fazit: Wer bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen - was schlimmer klingt, als es ist - nutzt eine riesige Chance. Alleine reisen nimmt einem die Abhängigkeit, schließlich müssten wir ja auf den Urlaub verzichten, wenn sich niemand bereiterklärt, mitzukommen. Und es gibt einem ganz viele Erfahrungen und Möglichkeiten, die Dinge selbst zu gestalten. Mit den genannten kleinen Kniffen lassen sich sogar unangenehme Situationen umgehen.

Ich mache es jedenfalls wieder - und vielleicht sogar ein wenig weiter weg und definitiv ein wenig forscher als bisher.

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